Wie eine WG in Belval funktioniert und warum Studenten nicht oft in Esch ausgehen
VON JULIA ZIPFEL
Studieren und wohnen in Belval, ausgehen in der Hauptstadt. So lässt sich das Leben einer Wohngemeinschaft im Mehrfamilienhaus „La Luxembourgeoise“ zusammenfassen, doch eigentlich ist da noch mehr.
Studentin Natacha Belougne öffnet die Tür, und sofort betritt man den lichtdurchfluteten Wohnraum, in dem sich die StudentenWG oft zusammenfindet. Durch die großen Fenster sieht man viel Grün, in der Ferne das Universitätsgebäude und einen Teil der alten Hochöfen.
Zentrales Möbelstück des großen Raums ist der lange, dunkle Holztisch. Hier wird gegessen, diskutiert und geplant.
„Wir teilen uns alle Aufgaben und Anschaffungen, die für die Wohngemeinschaft anfallen. Jules ist diese Woche dran, den Müll rauszubringen“, erzählt sie mit einem Seitenblick auf den 19-jährigen Franzosen aus Metz. Die Gruppe lacht, und Jules verspricht sofort, das noch heute zu erledigen. In der internationalen WG herrscht außergewöhnlich viel Harmonie, das ist sofort spürbar.
Sechs Studenten teilen sich in der „Résidence La Luxembourgoise“ jeweils eine Wohnung. Außer den Franzosen Natacha, Kim und Jules ist heute Abend noch Andrew aus Phoenix, Arizona zu Hause. „Wir hatten Glück, dass unsere Persönlichkeiten so gut zusammenpassen“ erzählt Natacha.
„Es gibt hier im Haus eine WG, die die ganze Zeit Party macht. Eine Freundin von mir hat da gewohnt, und war ziemlich genervt, weil sie immer früh aufstehen musste und in ihrer Wohnung bis in die Nacht gefeiert wurde. Dieses Problem haben wir hier nicht. Zuhause wird gelernt, gegessen und geredet und zum Feiern gehen wir raus.“ Über Facebook sprechen sich die Mitglieder der WG ab, wenn sie Freunde einladen wollen. Und wer keine Lust auf Gesellschaft hat, geht einfach in sein Zimmer. „Das Einzelzimmer ist echter Luxus für mich“, sagt Andrew, während er die Tür zu seinem etwa 20 Quadratmeter großen Reich öffnet. Ein Bett, ein Tisch mit Stuhl, ein Kleiderschrank und ein Regal – eine typische Wohnheimausstattung, mehr Möbel würde auch nicht reinpassen. Dem 23-jährigen Amerikaner reicht das.
„In den USA teilen sich in den Studentenwohnheimen für gewöhnlich zwei Leute ein Zimmer. Hier habe ich meine Ruhe und muss auf niemanden Rücksicht nehmen.“ An der Wand über dem Bett hängen die amerikanische und die luxemburgische Flagge. Eine Reflexion des Campuslebens? „Die aus-ländischen Studenten bleiben schon unter sich“, sagt Andrew und Bedauern schwingt in seiner Stimme mit.
„Die Luxemburger sind ja hier groß geworden und haben ihre Freunde aus der Schulzeit, mit denen sie sich treffen.“ Natacha ergänzt: „Es ist manchmal schwierig, mit ihnen in Kontakt zu kommen. Sie unterhalten sich natürlich auf Luxemburgisch. Wenn ich bei so einer Gruppe stehe und versuche, mich am Gespräch zu beteiligen, muss ich oft sagen: Hey, hallo, ich bin auch da, können wir auf Französisch oder Deutsch weitersprechen?“ Ein weiterer Faktor ist die Freizeitgestaltung. Diese wird hauptsächlich innerhalb der Wohnheime organisiert, die zu 90 Prozent von ausländischen Studenten belegt sind. Besonders die Studentenwohnheime aus der Hauptstadt sind sehr aktiv. „Wenn wir weggehen, dann meistens in der Hauptstadt. Dort finden regelmäßig Partys in den Wohnheimen statt, oder man organisiert einen Abend im Stadtgrund.“
Auf die Frage, warum sie nicht gerne in Esch ausgehen, zögern die Studenten etwas, sie wollen nicht unhöflich sein. „Hier organisiert keiner was“, sagt Andrew schließlich. „Vor ein paar Wochen gab es hier zum ersten Mal einen Pub Crawl, bei dem wir durch die Kneipen von Esch gezogen sind, und da waren sehr viele Leute dabei. Wenn jemand die Initiative ergreift, kommen auch alle. Aber in der Hauptstadt gibt es halt viel mehr Möglichkeiten.“
Dort wohnen möchte trotzdem niemand. „Zu Fuß bin ich in 15 Minuten an der Uni, mit dem Fahrrad noch schneller“, erzählt die 21-jährige Kim. Und auch das Belval-Plaza-Einkaufszentrum schätzen die WG-Bewohner sehr. „Man kommt gut zu Fuß oder mit dem Fahrrad dort hin, und findet alles, was man braucht. Kleidung und Essen kaufen, ins Kino gehen – das kann ich alles, ohne lange mit dem Bus oder Zug fahren zu müssen“, erklärt Andrew. Nach einem Seminar oder einer Vorlesung kann man also auf dem Nachhauseweg noch schnell besorgen, was man braucht. „Das einzige, was besonders auf dem Campus noch fehlt, sind einpaar Grünflächen, auf denen man sich im Sommer mal zwischen den Lehrveranstaltungen aufhalten kann. Es ist alles noch sehr asphaltiert und grau“, meint Andrew. Ein paar zusätzliche Cafés oder Aufenthaltsräume fänden die Studenten ebenfalls schön. Und Kim findet es schade, dass sie für die von der Uni angebotenen Sportkurse immer in die Hauptstadt fahren muss. Doch alles in allem fühlen sich die ausländischen Studenten auf dem Belval-Campus sehr wohl. „Es ist alles so neu und modern, und man arbeitet in kleinen Gruppen. Das ist wirklich toll“, sagt Jules, und die anderen nicken bestätigend.